Das mit der Risikogruppe war ein Überbleibsel aus meiner Verhandlung damals. Mein Anwalt meinte, dass jungen Fahrern bei Verkehrsunfällen tendenziell eher die Schuld „zugetraut“ wird. Wenn zwei 40-jährige aneinander Krachen, gehen alle Beteiligten (unbewusst) von gleicher Fähigkeit, ein Fahrzeug zu führen aus. Wenn aber einer 40 und einer 20 ist, tendieren Menschen dazu, dem jüngeren eher die schuld zu geben, weil man bei jungen Fahrern einfach davon ausgeht, dass sie aufgrund fehlender Erfahrung und dem berühmten „jugendlichen Leichtsinn“ mehr zum Unfallgeschehen beigetragen haben oder zumindest weniger unternommen haben, um den Unfall zu verhindern. Das meinte ich damit.
Dass der Anwalt deine Interessen vertritt, weil er von dir bezahlt wird, stimmt auch nur bedingt. Der Anwalt wird nach Aufwand, nicht nach Erfolg bezahlt. Ob du am Ende gewinnst, oder nicht, ist für den wirtschaftlichen Erfolg seiner Kanzlei erstmal egal. Natürlich will er dennoch, dass du das Verfahren gewinnst. Nur zufriedene Kunden geben Empfehlungen weiter. Also „Mühe“ geben und Fehler vermeiden wird er trotzdem. Aber er hat halt kein Interesse daran, dass das ganze schnell geregelt wird, da er erheblich mehr verdient, wenn es sich lange hinzieht. Wenn er davon ausgeht, dass du verlieren wirst, wäre sein wirtschaftliches Interesse, dir das nicht am Anfang zu sagen, sondern er könnte dich trotzdem bis zur Verhandlung bringen, die du dann (erwartet) verlierst. Weil an so einer Verhandlung verdient er erst richtig Geld und, dass du verloren hast, liegt ja am Fall, nicht an ihm. Das meine ich mit unterschiedlichen Interessen.
Ich durfte mich Jahrelang mit einem absolut unnötigen Erbschafts-Rechtsstreit meiner Oma rumschlagen (Nachfahren ihres verstorbenen Mannes und der Pflichtteilsanspruch) und die wichtigste Lektion, die ich daraus mitgenommen habe ist, dass die einzigen, die immer gewinnen, die Anwälte sind. Die werden nämlich in jedem Fall bezahlt. Mein Anwalt hat auch vermutet, dass das wirtschaftliche Interesse des Gegenanwalts der Hauptgrund dafür war, dass sich das so lange gezogen hat. Bzw. genau genommen ist das noch immer nicht abgeschlossen. Die Anwälte werden nämlich für jeden Brief und jedes gelesene Dokument einzeln bezahlt. Aufgrund dieser Erfahrung versuche ich prinzipiell, Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Man hat da unglaublich viel Arbeit mit, das kann auch emotional sehr fordernd werden und am Ende ist das einzige Ergebnis, dass deine Versicherung 30% weniger zahlt. Die Hauptschuld wird bei deiner Tochter bleiben, da sie den Richtungswechsel gemacht hat. Damit wirst du so oder so hochgestuft. Die Hochstufung ist auch unabhängig von der Höhe des Schadens immer die Gleiche. Du hast jede Menge Arbeit damit, zum Anwalt und ggf. Gericht zu gehen. Der Hauptgewinner der ganzen Geschichte ist der Anwalt und die Hauptverlierer sind du (Zeit und Nerven) und deine Versicherung (da dein Anwalt mutmaßlich von deiner Rechtsschutz bezahlt wird).
Bringen tut dir das am Ende vermutlich nix, außer persönlicher Genugtuung, dass der andere in seiner Versicherung auch hoch gestuft wird.