Einfluss von Spur und Sturz auf das Fahrverhalten u.a. Fahrwerksfragen

  • ....aber die meisten hier wollen einfach ein performantes Auto, dass sauber und schnell fährt und dann lautet der Tipp, mehr Spur an der Hinterachse zu fahren.

    Kann ich nur bestätigen. Auch jenseits der 200kmh liegt der Wagen sowas von bockstabil, fast schon stoisch, so das es eine wahre Freude ist und unglaublich viel Vertrauen erweckt. Erst letztes WE wieder auf dem Weg zur ClassicRemise gestestet. Man kann sich dabei locker ne Kippe drehen 8o

    LG


    B.


    Fiat 124 Spider / Alfa Romeo 159ti SW / +3 italienische Mopeten :thumbsup:

    You can't be a true Petrolhead until you've owned an AlfaRomeo.... J.C.


  • Da habe ich auch noch nichts gesehen. Mein Popometer sagt aber - es passt ;) .

    Ggf. kann man die Feinbalance dann ja noch über die Geo nachschärfen.

  • Ich glaube ich habe diesen Thread sogar 2 mal gelesen, doch für einige grundsätzliche Fragen habe ich keine Antworten gefunden.

    1.
    Warum führen härtere Federn vorne zu einem untersteuernden Fahrverhalten?
    Einerseits nimmt der Sturz auf der einfedernden Seite zu, sodass die mögliche Seitenführungskraft steigen sollte (--> kein untersteuern). Mit härteren Federn wird das logischerweise minimiert. Anderseits nimmt die Vorspur beim Einfedern zu, was den effektiven Lenkeinschlag verringert. Mit härteren Federn sollte sich demnach der Betrag der Vorspur weniger verändern, was eine untersteuernde Tendenz zumindest nicht verstärken sollte.
    Insgesamt wird durch härtere Federn (vorne) das Wanklenken reduziert - aber ist das alles oder spielen da andere Komponenten noch mit ein?

    2.
    Ergänzend: Warum wird vorne immer eine effektiv höhere Federrate gefahren als hinten?
    Wegen des Eigenschwingverhaltens? Falls ja: damit die Hinterachse langsamer schwingt als die Vorderachse?

    3.
    Warum sind alle klassischen Fahrwerkseinstellungen so ausgerichtet, dass an der Hinterachse mehr (negativer) Sturz gefahren wird? Geht es auch hier schlicht darum, dass mit mehr Sturz höhrere Seitenführungskräfte erreicht werden können? Sollten für ein neuttrales Fahrverhalten vorne und hinten nicht die gleichen Sturzwerte gefahren werden?

    4.
    Frage für einen Freund...Was bewirken ein größerer negativer Sturz vorne in Verbindung mit härteren Federn vorne?

    5.
    Bonusfrage: wie beeinflussen die Stabilisatoren das Fahrverhalten?
    Sind sie wie Federn zu betrachten (härter = weniger Wanklenken) oder gibt es hier weitere Größen, die beeinflusst werden?

    G160 | Edelbrock-Kompressor-Kit (230 PS/285 Nm) | Friedrich Motorsport-Krümmer + AGA | "kurze" Achsübersetzung | CAE short shifter | Öhlins R&T 100/40 | Whiteline-Stabilisatoren | Forge Sport-Bremsanlage (286mm) + Stahlflex | Hardrace-Domstreben + -Unterbodenverstrebung | Energy Suspension PU-Fahrwerksbuchsen | Recaro Pole Position | Schroth 4-Punkte-Gurte | Teil-Käfig | CarbonMiata GFK-Motorhaube | Yokohama A052 205/50 R16 | Volk Racing TE37 8x16

    Ehemals Federal 595-RSR 215/40 R17


    Einmal editiert, zuletzt von Eiersalat ()

  • zu 1. Weichere Feder -> höheres Traktionsvermögen und vice versa.

    Nimmt die Vorspur beim Einfedern zu, erhöht sich mE der effektive Lenkwinkel am kurvenäußeren Rad.

    Wanklenken wird durch Feder, Stabi und Geometrie von Rollzentrum und Schwerpunktlage beeinflusst.


    zu 2. Schwingverhalten der Achsen und sichere untersteuernde Grundauslegung


    zu 3. Ja, neutral ist idR nur in begrenztem Bereich umsetzbar (Beladung, Straßenverhältnisse etc.), untersteuernd ist sicher.


    zu 4. Härtere Feder = größere Untersteuertendenz, kompensiert durch höheren Sturz und damit größerer möglicher Seitenführung


    zu 5. Ja, wie steifere Federn beim Wanken. Gehen aber nicht in das klassische Eigenschwinverhalten der Achsen mit ein.


    Svanniversary wird das sicherlich noch detaillieren ;)

  • Die native Balance des Fahrzeug ergibt sich nicht aus dem Wanklenken, sondern primär aus der Wanksteifigkeit der Achsen. Das Wanklenken und die damit verbundenen dynamischen Spur- und Sturzänderungen wirken nur unterstützend.


    Ich gebe Dir mal ein einfaches Modell:

    Stell Dir ein Auto vor, dass eine absolut wanksteife Vorderachse und eine wankweiche Hinterachse hat.

    Bei Kurvenfahrt wirkt die Fliehkraft auf das Fahrzeug und die wird über die beiden Achsen abgestützt. Die Vorderachse ist steif und nimmt so gut wie die gesamte Kraft auf. An der weichen Hinterachse wird nur sehr wenig Kraft abgestützt.

    Damit bekommt der vordere Reifen mehr Seitenkraft, baut mehr Schräglauf auf und kommt als erstes in die Schlupfgrenze.

    D.h. die wanksteifere Achse bestimmt das Eigenlenkverhalten und wird als erstes in den Grenzbereich kommen, als erstes die Schlupfgrenze erreichen und auch als erstes abreißen.


    D.h. also das eine härtere Federrate, oder eine höhere Stabirate die Wanksteifigkeit der Achse erhöht und damit diese Achse dann das Eigenlenkverhalten bestimmt:

    - vorne mehr Wanksteifigkeit, also vorne härtere Federn, oder härterer Stabi => mehr untersteuern (das gleiche gilt, wenn ich die Wanksteifigkeit hinten verringere)

    - und das ganze gilt natürlich auch umgekehrt, vorne weniger Wanksteifigkeit => weniger Untersteuern bzw. mehr Übersteuern


    Das Wanklenken bewirkt hauptsächlich, dass dynamische Effekte verstärkt, oder abgemildert werden und kann die Linearität und Gutmütigkeit eines Fahrzeugs unterstützen. Es hat einen Beitrag an der Steuertendenz, diese ist aber geringer, als der Einfluss der Wanksteifigkeiten.


    Jetzt zu Deinen Fragen:


    1. Das Wanklenken ist vernachlässigbar. Ich habe hier aber einen doppelten Effekt. Mit härteren Federn vorne erhöhe ich die Wanksteifigkeit der VA und reduziere gleichzeitig die Effekte durch das Wanklenken. Beides geht in die gleiche Richtung, schwächt die Vorderachse und erhöht die Untersteuertendenz.


    2. Die Federrate vorne ist beim ND höher, weil die Übersetzung der Vorderachse deutlich schlechter ist. Um das zu kompensieren, muss die VA-Feder ca. um den Faktor 1,5 steifer sein, als die HA-Feder.

    Die effektive Federrate, unter Berücksichtigung von Übersetzung und Federsteifigkeiten OHNE Stabi, sollte hinten minimal höher sein. Das bewirkt, dass die Hinterachse beim Huben minimal „schneller“ ist, als die Vorderachse und das Auto damit parallel hubt und schwingt.

    Die effektive Wanksteifigkeit inklusive Stabi wird man in der Regel vorne zu hinten identisch, oder vorne leicht höher wählen, um ein neutrales bis leicht untersteuerndes Fahrverhalten zu gewährleisten.


    3. Die erforderlichen Spur- und Sturzwerte für die Achsen ergeben sich aus den Wanksteifigkeiten und dem Wanklenken. Beim ND ist das Fahrzeug hinsichtlich der Wanksteifigkeiten ungefähr ausbalanciert, wenn die vordere Feder um Faktor 1,5 härter ist. Das ergibt aber immer noch ein leicht hecklastiges, übersteuerndes Fahrverhalten, da die Vorderachse durch dynamische Effekte, insbesondere höhere Geometrie-Änderungen beim Wanklenken, steifer ist, als die Hinterachse.

    Die ND-Hinterachse ist generell nicht sehr quersteif, so dass man sie durch mehr Spur und Sturz stärken muss, damit sie mit der steifen VA mitkommt.

    Das hat gleichzeitig den sehr positiven Effekt, dass weniger Sturz vorne, mehr Sturz hinten hinsichtlich des Reifenverschleißes deutlich positiver ist. Hoher Sturz wird an der Hinterachse, u.a. durch die höhere Spur (die ich vorne nicht umsetzen kann), deutlich besser ertragen und verursacht weniger Verschleiß, als an der Vorderachse.

    Das passt also ganz gut, wenn man das Auto über Federn/Stabi ausbalanciert und dann in der Geo hinten höhere Werte fährt, als vorne.


    4. Härtere Federn erhöhen die Wanksteifigkeit und damit die Untersteuertendenz. Höherer Sturz erhöht die Quersteifigkeit und kann dem entgegen wirken und die Untersteuertendenz reduzieren. Hoher Sturz an der Vorderachse führt aber zwangsläufig zu hohem Innenschulterverschleiß und verschlechtert den Bremsweg.

    Gleichzeitig kommen die positiven Auswirkungen des Sturzes nur unter hohen Querkräften zum Tragen. Das heißt bei Nässe, oder glatten Straßen bringt mir das nichts und das Auto wird dennoch stark untersteuern.


    5. Stabis wirken bei Kurvenfahrt im Prinzip wie die Federn und haben unmittelbar Einfluss auf die Wanksteifigkeit der Achsen.

    Gleichzeitig haben sie den negativen Effekt, dass sie das linke und rechte Rad koppeln und damit positive Effekte der Einzelradaufhängungen reduzieren und negative Effekte wie Wankkopieren verstärken.

    Stabis sind einmal entwickelt worden, um die vertikale Einfederung (Federn) und die Wankabstützung unabhängiger voneinander abzustimmen und zwar insbesondere für Autos mit hohen Schwerpunkten.

    Bei einem Fahrzeug wie dem MX-5 mit sehr niedrigem Schwerpunkt, ist es nach meiner Einschätzung intelligenter die Wanksteifigkeit hauptsächlich über die Federn einzustellen und die Stabis nur für die Feinabstimmung zu nutzen. Das ist z.B. der Fall wenn ich ein gut abgestimmtes Gewindefahrwerk mit den Serienstabis fahre.

  • Edit: Zu langsam ...


    Eiersalat , hier eine ganz kurze Kurzfassung.


    Du suchst als Erklärung bei der dynamischen Änderung von Sturz und Spur, das ist aber gar nicht der primäre Effekt (solange man nicht auf topfebener Oberfläche fährt). Wenn man an einer Achse die (effektive) Federrate erhöht, führt das (praktisch) immer zu einer Verschiebung der Balance auf diese Achse und damit zu weniger Kurventraktion, (praktisch) egal wie das Kurvenlenkverhalten der Achsgeometrie sich auswirkt.


    Beim Verhältnis der effektiven Federraten (wichtig für die Balance der Achsen auf realen Straßen) zählt die Federwirkung der Stabilisatoren dazu, bei Verhältnis der Eigenfrequenzen (wichtig für ein gleichmäßiges Huben z.B. beim Überfahren einer Bodenwelle) zählt sie nicht dazu.


    Die effektiven (!) Federraten (d.h. unter Berücksichtigung des Übersetzungsverhältnisses) unterscheiden sich bei typischen Kombinationen wie z.B. 70 N/mm vorne und 40 N/mm hinten) nur sehr wenig, das Verhältnis ist nahe bei 1 (sie z.B. Datensammlung Fahrwerksfedern). Alles, was darüber hinaus der Hinterachse mehr Kurventraktion gestattet, dient meist dazu, das gewünschte leicht untersteuernde Fahrverhalten zu bekommen.


    Mehr Sturz erhöht zwar die Seitenführungskräfte, reduziert aber auch die Traktion geradeaus. Ich bin mir halbwegs sicher, das steht hier auch in diesem Thread.


    Ansonsten kannst du ja noch mit bewegten Bildern weiter forschen:


    Fahrwerk Talk
    Erklärungen und Infos rund um die Themen Fahrwerk, Fahrdynamik, Fahrspass. Mit mehr als 20 Jahren eigener praktischer Erfahrung in der fahrdynamischen…
    youtube.com

    Roadster G 132, Quatrac Ganzjahresreifen

    Einmal editiert, zuletzt von harkpabst ()

  • Danke für die fundierten Antworten!

    @Svanniversary

    1. Müsste es nicht heißen "stärkt die Vorderachse"? Oder bezog sich das auf die Traktion?
    2. Ich dachte der vordere Stabilisator wäre dicker und damit fester. Interessant!
    3. Spricht etwas dagegen, die Feinabstimmung über die Stabilisatoren (z.B. für weniger Untersteuern hinten härter als vorne) zu machen, wenn vorne keine so hohen Sturzwerte gefahren werden sollen?
    5. Was hat es mit dem Wankkopieren auf sich? Das Internetz will mir unter diesem Begriff nichts anzeigen.

    @--E<:|
    Die YouTube-Serie kenne ich und habe ich vollständig gesehen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass das da thematisiert wurde, hab's aber auch nicht auswendig gelernt. Auf jeden Fall sehenswert.

    Wenn die tatsächlichen Übersetzungsfaktoren 0,63 (VA) und 0,88 (HA) sind, sind die vorderen Federn doch immer noch deutlich härter als hinten. Fürs Öhlins mit 70/40 ergibt das 44,1/35,2 - immerhin 20% Unterschied. Aber ok, das dient dann wohl der gewünschten Auslegung zum Untersteuern.

    Ja, das mit der Traktion beim Bremsen/Beschleunigen wurde hier erwähnt.



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