Wie kommst Du auf so genaue Vorstellungen für den Nachlauf?Bei den NDs die ich bisher gefahren habe, fand ich die Rückstellkräfte und die Mittenzentrierung tendenziell etwas zu gering und die Rückmeldung von der Straße EPS-typisch gefilterter.
Über eher größeren Nachlauf (Richtung 9°) würde ich versuchen, zumindest etwas mehr Rückstellkräfte zu bekommen.
Spricht aus Deiner Sicht etwas dagegen? Ob der Nachlauf sich bei Sturz von -1,5° überhaupt noch so groß einstellen lässt, bleibt allerdings abzuwarten.
Dazu muss ich ein wenig ausholen und beginne mit der gern und viel gescholtenen Lenkung des ND. Sie wird ja nicht selten als rückmeldungsarm, feedbackarm und gegenkraftlos bezeichnet. Sicherlich hat sie nicht der Großartigkeit einer Elise-Lenkung und wirkt nicht so vertraut wie die hydraulischen NC- und NB-Vorgänger, dennoch kann ich sie nicht kritisieren. Mir persönlich ist wichtig, eine harmonische Lenkung zu haben mit viel Feedback. Die Lenkkräfte sind für mich sekundär wichtig, denn an diese kann ich mich gewöhnen.
Zum Aufbau: Alle elektrischen Lenkungen arbeiten mit einem elektrischen Lenkunterstützungsmotor. Bei den meisten Lenkungen sitzt dieser im Bereich des Armaturenbretts und wirkt über ein Planetensummiergetriebe auf die Lenksäule ein. Dadurch ergibt sich eine sehr indireke Anbindung des Lenkrades an die Lenkung. Beim ND geht die Lenksäule über ein eigenes Ritzel direkt auf die die Zahnstange der Lenkung, der Servomotor greift mit einem eigenen Ritzel davon unabhängig auf die Lenkung. Heißt: Lenkungsfeedback ist stets da. Es gibt jedoch einige Faktoren, die die Haltekräfte und das mechanische Feedback der Vorderachse herausstellen oder übertünchen können:
- Nachlauf: Mit mehr Nachlauf, also mehr Neigung des Federbeins, muss sich der Vorderwagen beim Einlenken salopp gesagt stärker anheben und wirkt dem Einlenken stärker entgegen. Somit wirkt die Lenkung schwergängiger. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Lenkung mehr Feedback enthält (Kräfte sind nicht gleichbedeutend mit Feedback). Zugleich kann es sein, dass die Lenkung bei viel Nachlauf nicht mehr von selbst zurückstellt und der harmonische Lauf der Lenkung leiden. Beim NC war das beispielsweise der Fall. Daneben beeinflussen sich beim Fahrwerk aller MXe die Einstellung von Nachlauf und Sturz. Auf Serienhöhe ließ sich beim unseren ND zum gewünschten Sturt von -1°20' nicht mehr als 7°45' Nachlauf einstellen. Aus diesen Gründen haben wir einen Nachlaufwert innerhalb der Vorgaben gewählt, um die Lenkungscharakteristik nicht negativ zu beeinflussen. Beim tiefergelegten ND wird man mehr Nachlauf und Sturz zugleich einstellen können, die Sinnhaftigkeit habe ich oben erläutert.
- Spur-und Sturzeinstellung: Durch Sturzveränderung verändert sich der effektive Aufstandspunkt des Rades, durch die Spur die "Vorspannung" der Räder bei Geradeausfahrt und in Kurven. Beide Parameter beeinflussen die Lenkkräfte sowie das Feedback der Lenkung. Hier lässt sich das von mir gewünschte beeinflussen (neben der Performance).
- Reifen: Die Serienreifen des 2l taugen m.E. sehr wenig. Wenig Feedback, bei Nässe noch weniger. Der Toyo R1R baut breiter, stabiler und ist auf gutes Feedback ausgelegt. Das brachte eine Menge an Straffheit in der Lenkung durch höhere Lenkkräfte am Reifen und eine Menge an mehr Feedback, ohne die Charakteristik der Lenkung zu stören.
- Felgen ET: Die ET ggf. anderer Felgen oder - geometrisch gleichwertig - Spurplatten beeinflussen die Fahrwerksgeometrie. Hierüber kann man sich Lenkräfte, Harmonie in der Lenkung und auch das wichtige Feedback easy verschlechtern.
- Diffschrauben: Bei vielen frühen NDs (und es würde mich kaum wundern, wenn es bei späteren auch vorkäme) sind die Verschraubungen von Power Plant Frame und Differential nicht ausreichend fest angezogen. Die zugehörige Händlerinfo liegt in Postschlumpfs Cloud-Laufwerk. Alle MX basieren auf einer steifen Verbindung von Vorder- und Hinterwagen über diesen massiven Aluträger zwischen Getriebe und Diff. Diese Verbindung und Steifheit ist wesentliches konstruktives Merkmal der MXe und für ihr feedbackreiches Fahrgefühl wichtig. Bei den beiden Vorführern wie auch unserem ND fand ich die Hinterachse recht lose und leierig, irgendwie entkoppelt, also für den Aufbau des ND merkwürdig. In Kenntnis der genannten Händlerinfo hat mich das nicht nervös gemacht - habe die Schrauben gemäß Vorgabe in meinem Beisein lösen und neu anziehen lassen. Und siehe da - fährt wie ein MX. VA und HA kommunzierten nun miteinander (klingt jetzt ein wenig Guru-haft, trifft aber den Kern der Sache) und die Verspannung der beiden Achsen gegeneinander bei Kurvenfahrt gibt dem Wagen Festigkeit und Definiertheit, die sich auch in der Lenkung äußert - in etwas größeren Kräften und massig mehr Feedback.
- Sprache der Lenkung: Das ist für mich ein ganz wichtiger Punkt. Jedes Lenkkonzept - servolos, Servo hydraulisch, Servo elektrisch - lässt die Lenkung in einer eigenen Sprache sprechen. Servolos, gerade bei richtigen Sportlern wie der Elise, muss man mögen, die Klarheit der Sprache ist jedoch grandios. Das ist wie Video in VHS und 4k. Hydraulische Lenkungen stülpen dem Lenkgefühl ihre Sprache über. Eine Sprache, an die sich viele von uns über Jahre und Jahrzehnte gewöhnt haben und die gut verständlich ist. Elektrische Lenkungen haben eine synthetische Sprache, wirken oft nicht so organisch wie die beiden zuvor genannten Konzepte. Auch jene des ND fühlt sich nicht an wie eine servolose oder eine perfekte hydraulische. Ich würde die Lenkung des ND jedoch nicht einen Punkt schlechter bewerten als z. B. jene des NC. Die des ND spricht nur eine andere Sprache und ihren Dialekt kann man mit dem o.g. Maßnahmen sehr viel deutlicher werden lassen, der Rest ist persönliche Eingewöhnung.
Wie Du vielleicht herausliest ist es mir besonders wichtig, ein gut fahrbares Auto zu haben, welches vor allem Feedback gibt, welches harmonisch agiert und reagiert. Die Optik tritt für mich im Zweifelsfall dahinter zurück. Liegt aber auch am Fahrstil, den ich als rund und effektiv bezeichnen würde.
Grüße, Björn